Was macht eigentlich… Berthold Haas?

Nein, Tuba spiele er gesundheitsbedingt nicht mehr, aber er unterrichte noch regelmäßig. Berthold Haas dürfte mit seinen knapp 90 Jahren somit zu den ältesten Vertretern seiner Zunft zählen. Der langjährige Tubist des WDR-Sinfonieorchesters hat sich vor allem in den siebziger und achtziger Jahren zahlreiche Meriten als Lehrer an der Jugend- und Volksmusikschule Burscheid und als Dirigent des Orchestervereins Hilgen erworben. Damit hat er die Wurzeln für die zahlreichen, bis heute fortdauernden Erfolge dieses Orchesters gelegt.

Den ersten Instrumentalunterricht  erhielt Haas mit zehn Jahren bei seinem Vater Otto, der während des Ersten Weltkrieges Tuba und Kontrabass in einem Militärmusikkorps spielte. „Er war ein engagierter und vielseitiger Laienmusiker und wäre gerne Profi geworden, wenn seine Eltern es hätten finanzieren können.“ Bertholds Talent wurde schnell erkannt und er konnte schon mit 13 Jahren, nach seinem Volksschulabschluß, die gleichen Instrumente, die auch sein Vater spielte, an der Musikhochschule Köln studieren. Von 1947 an spielte er für fast vier Jahrzehnte als Tubist im Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks. Bis in die siebziger Jahre wirkte er zudem im WDR-Blasorchester mit, das zahlreiche Titel für den Rundfunk eingespielt hat. Von einem Rechtfertigungsdruck, dem manche Orchestermusiker mit Blasmusik-Hintergrund lange Zeit ausgesetzt gewesen seien, habe man nie etwas gespürt.

Der Aufbau begann zunächst sehr zäh.

Sechs Jahre nach Gründung der Jugend- und Volksmusikschule Burscheid stieg Haas dort als Lehrer und Dirigent ein. Aufgrund seiner Kontakte im WDR konnte er zahlreiche kompetente Lehrer anwerben, in der Regel Kollegen aus dem Sinfonieorchester. Nachdem einiges an Grundlagenarbeit geleistet worden war,  fasste Berthold Haas zusammen mit seinem Namensvetter und Vereinsvorstand des Orchestervereins Hilgen (OVH), Ernst Haas ( „Ein sehr aktiver und visionärer Mensch.“) das Ziel „sinfonisches Blasorchester“ ins Auge und man holte die Jugend- und Volksmusikschule für die Nachwuchsarbeit mit ins Boot. „Der Aufbau begann
anfangs sehr zäh, aber nachdem der Unterricht an der Musikschule immer mehr Erfolge brachte, ging es schneller vorwärts.“ Zahlreiche Absolventen der Musikschule sind heute in führenden Positionen in Sinfonieorchestern oder Musikschulen tätig. Neben Haas‘ Söhnen Ulrich (Tubist der Duisburger Philharmoniker) und Norbert (Trompeter im Radio-Sinfonieorchester Frankfurt) ist auch der Tubist Markus Hötzel (NDR-Sinfonieorchester zeitweise im Melton-Tuba-Quartett)  zu nennen. Die Klarinettisten Peter Hellwig und Frank Rinne leiten die Musikschulen in Osnabrück beziehungsweise Neckargemünd.

Innovationen – und auch was „fürs Herz“

Erste internationale Kontakte gab es bereits 1969, als im Rahmen des NRW-Landesmusikfestes in Burscheid auch das niederländische Spitzen-Blasorchester „Oefeningen Uitspanning“ (dt. Uben und Entspannen) gastierte. Darüber hinaus entstanden auch Verbindungen nach Frankreich und in die damalige Tschechoslowakei. Aber auch durch Verbindungen zu Komponisten machte der OVH von sich reden. Neben Heinz Bröcker, Dirigent des oben erwähnten WDR Blasorchesters, waren dies Paul Kühmstedt, Henk van Lijnschooten und Paul Huber, die auch Werke für den OVH geschrieben haben. Wenn man dort einmal musikalisch abseits ausgetretener Pfade gewandelt sei, dann habe es schon einmal eine gewisse Zeit gebraucht, bis das Orchester die Stücke verstanden habe „und manchmal brauchte das Publikum noch etwas länger.“ Bei allen Innovationen achtete Haas aber darauf, dass das Publikum auch etwas „fürs Herz“ zu hören bekam. „Dadurch waren die Konzerte meistens voll, manchmal sogar zweimal.“

Haas findet es erfreulich, dass heutzutage immer mehr Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum für sinfonische Blasorchester schreiben. „Damals kamen die meisten anspruchsvollen Werke aus Frankreich und Benelux. Nicht ohne Stolz erwähnt er seinen Nachfolger als OVH-Dirigent, Johannes Stert. „Für den Deutschen Orchesterwettbewerb 2012 schrieb er dem Orchesterverein Hilgen das Werk ,Bachseits‘ auf den Leib, das schon beim Landesentscheid in Paderborn für Furore sorgte“.

Joachim Buch – Eurowinds, Januar/Februar 2012